Prof. Dr. Benjamin Pölloth
Fachgebiet: Chemiedidaktik
Was haben Sie in Ihrem Berufsleben bisher gemacht?
Nach meinem Studium für das Lehramt an Gymnasien in den Fächern Chemie, Mathematik und evangelische Religionslehre an der Universität Regensburg habe ich zunächst als Lehrkraft an drei verschiedenen Schulen gearbeitet. Durch meine Staatsexamensarbeit bei Professor König hatte ich aber auch chemische Forschung hautnah kennengelernt und dabei Lust bekommen, noch ein wenig mehr zu forschen. Deshalb habe ich mich für einen kleinen Umweg entschieden und an der LMU München mit Professor Zipse in der Organischen Chemie den Zusammenhang zwischen Molekülgrößen, nicht-kovalenten Wechselwirkungen, Reaktionsgeschwindigkeiten und Enantioselektivität untersucht. Während meiner Promotionszeit habe ich auch eine Online-Video-Bibliothek für das OC-Grundpraktikum entwickelt und deren Nutzen empirisch untersucht. Dadurch kam ich intensiver mit didaktischer Forschung in Kontakt und stellte fest, dass die Chemiedidaktik meine beiden Interessen – chemische Forschung und die Vermittlung von chemischen Zusammenhängen – ideal vereint. Deshalb entschied ich mich für eine Post-Doc-Stelle in der Didaktik der Chemie bei Professor Schwarzer an der Universität Tübingen. Mit Blick auf meine bisherigen Stationen wird es kaum überraschen, dass es mir in meiner Forschung besonders wichtig ist, Fachwissenschaft, Schulpraxis und empirische Bildungsforschung miteinander zu verknüpfen.
Was reizt Sie an der neuen Stelle?
Ich freue mich sehr auf die vielen Gestaltungsmöglichkeiten, die sich an der Freien Universität ergeben. Das exzellente Forschungsumfeld an der FU verlangt geradezu danach, zu untersuchen, wie wir neue Forschungserkenntnisse zugänglicher machen und den Chemieunterricht so weiterentwickeln können, dass er ein zeitgemäßes Verständnis von Chemie vermittelt. Besonders schön finde ich, dass es an der Freien Universität bereits viele Strukturen gibt, an die ich anknüpfen kann – zum Beispiel das NatLab mit seinen zahlreichen Aktivitäten, die Vorarbeiten aus der AG Bolte und natürlich viele motivierte Studierende und Kolleg:innen.
Was lieben Sie an Ihrem Beruf?
Für mich bietet der Beruf den idealen Mix: Zum einen die Arbeit mit Studierenden und das Privileg, sie auf ihrem Weg durch die Universität zu begleiten – und dabei zu sehen, wie sie sich immer weiter zu Lehrkräften entwickeln. Zum anderen die Forschung und die große Freiheit, die damit verbunden ist. Denn mal ganz ehrlich: In welchem anderen Beruf kann man sich denken, „Ich würde wirklich gerne wissen, ob und wie sich moderne quantenchemische Methoden sinnvoll im Chemieunterricht einsetzen lassen …“ – und sich dann einfach über Jahre intensiv mit solch einer Fragestellung auseinandersetzen? Diese wissenschaftliche Freiheit weiß ich sehr zu schätzen.
Auf welche Aufgabe könnten Sie in Ihrem Beruf gern verzichten, erledigen sie aber natürlich trotzdem gewissenhaft?
Es gibt schon manche bürokratischen Abläufe, bei denen ich mich frage, ob der Arbeitsaufwand und die damit verbundenen Kosten nicht deutlich höher sind als der daraus entstehende Nutzen (oder auch der potenzielle Schaden, der vermieden werden soll). Aber ich bin jetzt ja Berliner Beamter und erledige solche Aufgaben natürlich ordnungsgemäß.
Welcher Life Hack oder welche Erkenntnis hat Ihre Lehre beeinflusst?
Gerade durch die Betreuung von Studierenden im Schuleinsatz beobachte ich häufig Unterricht. Aus dieser Perspektive eines Schülers fällt mir immer wieder auf, wie langsam die Zeit vergehen kann, wenn man nur passiv zuhört. Das geht Studierenden nicht anders. Deshalb versuche ich, in meiner universitären Lehre, soweit möglich, aktives Lernen zu fördern. Schließlich gibt es wenig Unglaubwürdigeres, als in einem 90-Minuten-Vortrag darüber aufzuklären, dass Lernen ein konstruktiver Prozess ist, der voraussetzt, dass Lernende aktiv werden und Wissenselemente miteinander verknüpfen ...
Welchen Nutzen hat Ihre Forschung?
Laut einer aktuellen Sinus-Studie ist Chemie zum unbeliebtesten MINT-Fach in der Schule geworden. Andere Forschungsergebnisse zeigen, dass der Kompetenzaufbau im Chemieunterricht oft eher gering ist. Das finde ich sehr problematisch, da in der Chemie so viel spannende Forschung betrieben wird und ein chemisches Grundverständnis essenziell ist, um bei gesellschaftlichen Herausforderungen wie den Klimawandel oder Pandemien mitreden zu können. Sicherlich ist der entscheidende Faktor für guten Chemieunterricht die Lehrkraft – deshalb freue ich mich sehr, in der Ausbildung dazu einen Beitrag leisten zu können. Gleichzeitig braucht es aber auch empirische Forschung, um besser zu verstehen, wie Lernen im Chemieunterricht funktioniert (oder warum es eben an vielen Stellen nicht funktioniert). Dies ist auch mit der Frage verbunden, wie wir den Chemieunterricht besser an aktuellen chemischen Forschungs- und Denkweisen orientieren können. Nicht zuletzt hat die digitale Transformation dazu geführt, dass Schüler:innen heute andere Kompetenzen benötigen als vor 50 Jahren. Mit meiner Forschung möchte ich deshalb einen Beitrag zu einer evidenzbasierten Weiterentwicklung des Chemie-Lernens an Schule und Universität liefern.
Was sollte man über Ihr Privatleben wissen?
Ich bin gerne draußen und entdecke neue Orte – egal ob in den Bergen, an einem See oder in einer schönen Stadt. Die Alpen sind zwar jetzt etwas weiter entfernt, aber ich freue mich darauf, Berlin und seine Umgebung zu erkunden. Genauso gerne entdecke ich Neues beim Lesen eines guten Buches oder durch Reisen in andere Kulturen.
Welche Person oder Persönlichkeit hat Sie beeinflusst, wie und warum?
Ohne meine Leistungskurs-Lehrerin Frau Welz wäre ich sicherlich nie auf dieser Position gelandet. Ihr Chemieunterricht war so anspruchsvoll, aber gleichzeitig so aktivierend und begeisternd, dass ich einfach immer mehr über Chemie wissen wollte. Ich glaube, dass ganz viele Forschende in der Chemie erst durch solche engagierten Lehrkräfte ihre Passion für die Chemie entdeckt haben – deshalb sollten wir als Hochschullehrende die Ausbildung exzellenter Chemielehrkräfte als eine unserer zentralen Aufgabe wertschätzen, nicht zuletzt, um die Zukunft unserer Forschung sicherzustellen.