Aktueller Arbeitsstand
Im Jahr 2013 konvergierten 3 Forschungsthemen meiner Arbeitsgruppe auf eine Thematik, die für die Beurteilung der durch die industrialisierte Landwirtschaft beeinträchtigten Umwelt relevante sind.
(1) Wir fanden, dass die Navigation von Bienen nach der akuten Aufnahme von Neonicotinoiden gestört war ([1]). (2) Wir klärten die Mechanismen der Wirkung von Neonicotinoiden auf der Ebene der Gehirnprozesse auf und konnten sie bestimmten Arealen des Bienengehirns zuordnen ([2], [3]). (3) Wir entdeckten, dass sich die Tänze der Bienen über die Messung der elektrostatischen Felder quantitativ erfassen lassen ([4]). Daraus ergaben sich Forschungsansätze, die unmittelbar als Vorstufen zu dem Umweltspäher Projekt zu sehen sind und nun parallel zu dem „Umweltspäher Projekt“ betrieben wurden. Dazu gehören die Überprüfung der Wirkung von Neonikotinoiden auf das im Labor gemessene Lernverhalten und die gründlichere Untersuchung des Navigations- und Tanzkommunikationsverhaltens nach akuter und chronischer Aufnahme von Thiacloprid und Clothianidin ([5] , [6], eine weitere Publikation befindet sich im Druck), sowie die Entwicklung eines Messsystems auf der Basis von leistungsfähigen Mikrokontrollern.
Die Idee zum „Umweltspäher Projekt“ kam uns, als wir nach Wegen suchten, wie sich die von den Tänzerinnen ausgehenden elektrostatischen Felder nicht nur in einer experimentellen Situation (Beobachtungskasten) sondern auch in einer normalen Bienen Beute messen lassen. Allerdings war uns sofort klar, dass wir als wenig erfahrene Imker die Mithilfe von praktischen Imkern benötigten, die uns halfen, die Laborsituation auf eine normale Bienen Beute zu übertragen.
Die Untersuchungen wurden zwischen 2014 und 2019 durch die OLIN gGmbH finanziell unterstützt.
Erste Arbeitsperiode (2014 – 2016)
Die ersten Messapparaturen arbeiteten mit den gleichen kommerziell käuflichen Audioverstärkern wie sie in unseren Laborgeräten und in einer mehr als „Bastelmodus“ zu bezeichnende Anordnung von Messsonden verwendet wurden. Diese Anordnung wurde mit den vorhandene Beuten verbunden, wobei die Beuten als Faraday Käfige gestaltet wurden. Unsere Idee war, die Messsonden in einem Rahme so anzuordnen, dass der Rahmen unterhalb des von den Bienen ausgebauten Brutraums angeordnet war. Wir stellten uns vor, dass die Bienen über diese Messanordnung vom Eingang kommend laufen würden, um in ihren Brut- und Honigraum zu gelangen und auf dem Messrahmen tanzen würden, weil dieser in der Nähe des Eingangs positioniert war. Einem unserer kooperierenden Imker, Herrn Stieber, gefiel diese Anordnung ganz und gar nicht. Er nahm unseren Messrahmen einfach heraus und ordnete ihn zwischen die Rahmen des Brutraums ein. Herr Stieber konnte damit besonders viele Daten von Tänzen gewinnen, die anderen Imker sammelten nur recht wenige Tanzdaten. Wir verdanken daher Herrn Stieber die Entdeckung der richtigen Anordnung des Messrahmens. Für uns war entscheidend, dass die Bienen den Messrahmen annahmen und keinerlei Anzeichen für Störungen des Brutgeschäfts und des Honigeintragens zeigten.
Im darauf folgenden Jahr wurden alle Messbeuten auf diesem Prinzip aufgebaut. Diese neuen Messbeuten wurden nun von einer Tischlerei in Sandwich Bauweise hergestellt, bei der das Eisengitter, das als Faraday Käfig wirkte, zwischen das tragende Holzbrett und einem starken Furnier angeordnet war. Unter der Mithilfe der kooperierenden Imker wurde ein komplettes System von Bauteilen hergestellt, das aus einer Waage im untersten Teil, einer Zarge für das Brutnest und den Messrahmen, einer darüber angeordneten Zarge für den Honigraum, sowie einem Futterraum (für die Winter Einfütterung) und einem Blechdecke bestand. Alle Teile waren als Faraday Käfig gestaltet (Abbildung 1). In der Abbildung 1 ist die Zarge für den Honigraum und der Fütterungsaufsatz nicht dargestellt
Abbildung 1 Die Messbeute des Umweltspähers. Dargestellt sind zwei Messbeuten (oben links), Sicht auf die Elektronik und die Batterie (oben rechts), Messrahmen mit 6 Sensoren für die elektrostatischen Felder (links unten), Messelektronik (äußere Ansicht), rechts unten.
Die Elektronik in dieser neuen Messbeute wurde um einen Arduino Mikrokontroller aufgebaut, wobei wir ein elektronisches Board verwendeten, das wir in den Wintermonaten designten und herstellen ließen. Allerdings erwies sich diese Anordnung im rauen Betrieb der kooperierenden Imker nicht als optimal. Wir gewannen aber mit dieser Anordnung eine Fülle von Daten, die uns als Ausgangspunkt für zwei Wege der Datenanalyse dienten (siehe unten). Im Jahr 2016 nahmen 36 Imker verteilt über Deutschland an unserem Messprogramm teil. Die Auswertung der umfangreichen Daten sowohl der Imker wie auch der Studenten erwies sich als sehr aufwendig und komplex. Wir suchten daher bereits 2016 nach Kooperationen mit Informatikern und fanden in Herrn Julian Petrasch einen sehr kompetenten und aktiven Studenten, der sich gemeinsam mit einem weiteren Mitarbeiter meiner Arbeitsgruppe, Dr. Benjamin Paffhausen, in die Hardware und die Daten einarbeitete.
In dieser ersten Arbeitsperiode waren auch die parallel laufenden Untersuchungen von Herrn Greggers von großer Bedeutung, denn sie lieferten uns – neben einer Fülle von neuen Einsichten in die Tanz Kommunikation der Bienen – ein entscheidendes Vergleichsmaterial zur Beurteilung und Auswertung der in den imkerlichen Messbeuten gewonnenen Daten. Die Erkenntnisse, die Herr Greggers erarbeitete, führten zu einer ganz neuen Bewertung der dynamischen elektrostatischen Signale, die von den tanzenden Bienen ausgehen. Diese Erkenntnisse werden in dem Pendelmodell zusammengefasst, das beschreibt wie die Frequenz der Schwänzel Läufe von der Richtung des Körpers der tanzenden Biene zur Schwerkraft abhängt. Diese Abhängigkeit führt dazu, dass die Schwänzel Frequenz hoch ist, wenn die Biene nach oben tanzt und niedrig, wenn sie nach unten tanzt. Dieser Zusammenhang wurde präzise für verschiedene Richtungen zum Sonnenazimut und zur Tageszeit bestimmt. Aus diesem Zusammenhang kann allein auf der Grundlage der elektrostatischen Felder des Tanzes nicht nur die Entfernung (über die Zahl der Schwänzel Bewegungen) sondern auch die Richtung bestimmt werden. Allerdings besteht eine Unsicherheit im Winkelabstand von 180°. Anders als bisher angenommen enthalten diese Signale somit auch Information über die Richtung zu der im Tanz angezeigten Futterstelle. Eine Publikation über diese Ergebnisse befindet sich in der Vorbereitung.
Zweite Arbeitsperiode (2016 - 2019)
In der Sommerperiode 2017 wurden alle Apparaturen mit der neu konfigurierten Elektronik ausgestattet. Auch die Messbeuten wurden überarbeitet und wieder an die kooperierenden Imker ausgegeben. Die damit verbundene logistischen Anforderungen und die Kommunikation mit den Imkern forderten die ganze Arbeitsgruppe heraus. Insgesamt wurden 27 Messbeuten verteilt und weitere 7 Beuten für unsere Arbeiten eingesetzt. Es wurde darüber hinaus ein Software Paket entwickelt, das die Kommunikation mit den Imkern und die Datenflüsse dokumentierte. Da in der Größenordnung 30 GB Daten von jedem Imker und von unseren Messbeuten pro Woche anfielen (1050 GB pro Woche) war der Datenumfang rasch außerordentlich groß. Hier war im Jahre 2017 die externe Speicherung der Daten sehr hilfreich(vor allem der Daten, die Herr Greggers sammelte). Außerdem führte er weitere Messungen mit seiner labormäßigen Apparatur. Diese führten zu der Konstruktion und Erprobung seiner sog. elektronischen Kamera, die aus 36 in einem Kreuz angeordneten Messsonden bestand und ihm erlaubte, eine räumliche und zeitliche Auflösung der von einer tanzenden Biene ausgehenden elektrostatischen Felder zu messen.
In den Jahren 2017 und 2018 wurden die Daten für vier Ziele verwendet: 1. Überprüfung und Verbesserung der Messapparaturen insbesondere der Elektronik, 2. Beurteilung der Zusammenhänge zwischen biologischen Parametern der Bienen Kolonien (Brutentwicklung, Schwärmen, Futtereintrag, Flugaktivität, Bruttemperatur, Wetterbedingungen) und unseren Messparametern insbesondere der Tanzaktivität und der Stoppsignale, 3. Folgen der Belastungen durch Neonicotinoide, 4. Entwicklung von 2 Software Paketen zur Auswertung und Beurteilung der Messungen von sozialen Signalen. In allen 4 Bereichen haben wir die gesetzten Ziele erreicht.
An dieser Stelle soll kurz auf die beiden Strategien eingegangen werden, die wir bei der Auswertung und Interpretation der sozialen Signale verfolgten. Wir wählten zwei unterschiedliche Ansätze. Herr Dür arbeitet im Rahmen seiner Doktorarbeit mit einem sogenannten machine learning Ansatz. Dazu hat er Programme geschrieben, mit denen ein Auswertealgorithmus mit Hilfe von ausgewählten Signalmustern auf das Erkennen von sozialen Signalen trainiert wurde (supervised learning). Der erste Schritt zur Beurteilung der Leistungsfähigkeit bestand darin zu prüfen, ob der Algorithmus die trainierten Signale wiedererkennt (dies wurde zu >95% erreicht). Dann wurden neue Datensätze darauf geprüft, welche Signale erkannt und welchen Kategorien zugeordnet werden. Diese werden dann anschließend „per Auge“ oder über einen matching Algorithmus überprüft. Eine korrekte Zuordnung wurde für 85 – 95% der Tänze erreicht. Die Entwicklungsarbeiten sind abgeschlossen, und Herr Dür wendet nun die Programme auf die von ihm 2017 und 2018 gesammelten Daten an. Eine Verzögerung beim Abschluss seiner Arbeiten ergab sich aus dem Umstand, dass er seinen Unterhalt verdienen musste als seine Finanzierung als Doktorand auslief.
Der zweite Ansatz wurde von Herrn Julian Petrasch verfolgt. Er beruht auf der Selektion von bestimmten Frequenzbereichen der elektrostatischen Signale, die charakteristisch sind für bestimmte soziale Signale. Dieses Converter Programm hat sich sehr gut bewährt und wurde in beiden Sommern durchgehend für alle Datenauswertungen angewandt. Es setzt uns in die Lage bereits kurz nach Eingang der Daten (etwa innerhalb einer Woche) den betreffenden Imker über die Messergebnisse zu informieren sowie den Datenanfall in unseren eigenen Messbeuten fortlaufend zu kontrollieren. Da diese Ergebnisse in graphischer Form dargestellt werden, sind sie für den Imker aber auch unsere Studenten unmittelbar verwendbar. Darüber hinaus liegen die Daten in Tabellen vor, die wir dann weiter verarbeiten können.
Die beiden Zugänge werden auch untereinander verglichen, weil wir die jeweiligen Stärken und Schwächen noch besser verstehen müssen.
In den von uns durchgeführten Experimenten wurden die Bienen Kolonien mit verschiedenen Pestiziden belastet (jeweils getrennt in verschiedenen Kolonie mit Thiacloprid in der Formulierung Calypso, mit Glyphosat, mit Sulfoxaflor oder mit Clothianidin). Ein Imker, der zwei Messbeuten übernahm, prüfte mit einer Kolonie den Effekt eines Spritzmittels, das in einer Apfelbaum Plantage verwandt wurde und verglich dies mit einer zweiten Kolonie, die in einer in 10 km Entfernung aufgestellten Messbeute in einer nicht gespritzten Apfelbaum Plantage aufgestellt war.
Publikationen:
Tison, L.; Holtz, S.; Adeoye, A.; Kalkan, Ö.; Irmisch, N.S.; Lehmann, N.; Menzel, R. Effects of sublethal doses of thiacloprid and its formulation calypso® on the learning and memory performance of honey bees. Journal of Experimental Biology 2017, 220, 3695-3705.
Tison, L.; Hahn, M.-L.; Holtz, S.; Rößner, A.; Greggers, U.; Bischoff, G.; Menzel, R. Honey bees’ behavior is impaired by chronic exposure to the neonicotinoid thiacloprid in the field. Environmental science & technology 2016.
Zitierte Publikationen
[1] Fischer, J.; Muller, T.; Spatz, A.K.; Greggers, U.; Grunewald, B.; Menzel, R. Neonicotinoids interfere with specific components of navigation in honeybees. Plos One 2014, 9, e91364.
[2] Barbara, G.S.; Grunewald, B.; Paute, S.; Gauthier, M.; Raymond-Delpech, V. Study of nicotinic acetylcholine receptors on cultured antennal lobe neurones from adult honeybee brains. 2. Invert. Neurosci 2008, 8, 19-29.
[3] Kreissl, S.; Bicker, G. Histochemistry of acetylcholinesterase and immunocytochemistry of an acetylcholine receptor-like antigen in the brain of the honey bee. Journal of Comparative Neurology 1989, 286, 71-84.
[4] Greggers, U.; Koch, G.; Schmidt, V.; Durr, A.; Floriou-Servou, A.; Piepenbrock, D.; Gopfert, M.C.; Menzel, R. Reception and learning of electric fields in bees. 3. Proc. Biol Sci 2013, 280, 20130528.
[5] Sol Balbuena, M.; Tison, L.; Hahn, M.L.; Greggers, U.; Menzel, R.; Farina, W.M. Effects of sub-lethal doses of glyphosate on honeybee navigation. J Exp Biol 2015, 218.
[6] Menzel, R.; Tison, L.; Fischer-Nakai, J.; Cheeseman, J.; Lehmann, K.; Balbuena, M.S.; Chen, X.; Landgraf, T.; Petrasch, J.; Greggers, U. Honeybees are guided by learned elongated ground structures. Frontiers in Behavioral Neuroscience 2018, 12, 322.